Die
Sechziger: Die Wissenschaft verlangt nach thematischen Karten
Die Sechziger Jahre waren geprägt von einem wachsenden Interesse und Bedarf an thematischen Karten und Geoinformationen. Die neu angelaufene Landesplanung benötigte kartographische Unterlagen zur Entscheidungsfindung und zur Darstellung der Resultate, und die wachsende Wirtschaft benötigte sie für Standortfragen. Die weltweite Oeffnung weckte das Interesse an den Strukturen anderer Länder. Die Hochschulen waren als Informationslieferanten gefordert.
Am 12.Mai 1964 trafen sich vier „grosse
Namen“
der ETH, die Professoren Imhof, Gansser, Gutersohn und Winkler mit der
Leitung
der ETH-Bibliothek, um ein altes Anliegen endlich in die Wege zu
leiten. An der
ETH sollte eine bedeutende
wissenschaftliche Kartensammlung aufgebaut werden, mit einem
Informationsangebot, das bisher in der Schweiz weitgehend fehlte:
Moderne
thematische Karten aus allen Regionen der Welt, dazu die neuesten
amtlichen
topographischen Karten aller Länder.
Der Präsident des Schweizerischen Schulrates, Prof. Pallmann, gab daraufhin grünes Licht für den „Aufbau einer zentralen Kartensammlung der ETH in der ETH-Hauptbibliothek“. Es dauerte aber noch einige Jahre, bis diese im Rahmen des Ausbaus der ETH-Bibliothek realisiert werden konnte. Im Mai 1971 übernahm der Geograph Jürg Bühler die Aufgabe, die Kartensammlung zu planen, aufzubauen und zu betreuen.
Die Siebziger: Von der Eröffnung zur grössten Kartensammlung der Schweiz
Nach
umfangreichen Vorbereitungsarbeiten und der Einrichtung eines
Kartenmagazins und eines Kartenlesesaals konnte die ETH-Kartensammlung
1972 für
ETH-Angehörige und externe Kunden eröffnet werden.
Der noch kleine Bestand an topographischen und thematischen Karten, an Atlanten und Bücher über das Kartenwesen wurde dank entsprechenden Investitionen rasch aufgebaut und Ende der siebziger Jahre avancierte die noch junge Sammlung zur grössten Kartensammlung der Schweiz, eine Stellung, die sie mit über 300'000 Karten noch heute innehat.
Von Beginn an wurden alle Dokumente katalogisiert und ab 1976 war der ganze Kartenbestand im neuen Computerkatalog der ETH-Bibliothek zu finden. In der Folge wurden auch die Wechsel zum ersten Online-Katalog ETHICS und im Jahr 2000 zum neuen System ALEPH/NEBIS vollzogen, womit die Recherche nach Karten der Sammlung weltweit möglich wurde. 1982 erfolgte der Umzug in grössere Räumlichkeiten nahe des zentralen Benutzerbereichs der Bibliothek. Die Katalogabfrage erfolgte nun über PC-Stationen. Kartendokumente, die nicht über den Katalog eruiert werden konnten, liessen sich über die fachliche Beratung der Kartenbibliothekare finden. Da das Kartenmaterial nicht ausleihbar war, wurde in der Folge ein Kopiergerät beantragt und angeschafft – der erste A2-Kopierer der ETH Zürich.
Die Neunziger: Die digitale Herausforderung
Die in den Neunzigerjahren erfolgte Entwicklung der digitalen Kartographie veranlasste den Sammlungsleiter, das Medium „digitale Karten“ in den Sammlungsbestand zu integrieren. Die ETH-Kartensammlung war damit eine der ersten Kartensammlungen Europas mit einem grösseren Angebot an CD-ROM-Produkten, GIS-Software und einem Internet-Kartenkatalog. Zusätzlich wurden eigene Bestände, wie die „Geologischen Spezialkarten der Schweiz“ gescannt und elektronisch angeboten. Die Originaldokumente des bekannten Kartographen Imhof stehen heute als „Virtual Library Eduard Imhof“ im Internet.
Im neuen Jahrtausend: Informationsaufgabe im wachsenden Geodatenmarkt
Es steht den Kunden ein vielfältiges und für die Schweiz weitgehend einmaliges Angebot an Kartendokumenten zur Verfügung: Ueber 300'000 gedruckte thematische und topographische Karten der ganzen Welt, 4000 Atlanten, Ortsregister und Bücher, über 400 CD-ROM mit Kartenmaterial und GIS-Daten und ein Internet-Kartenkatalog mit mehreren tausend Links. Als weitere Dienstleistungen werden angeboten: Eine Workstation mit GIS-Software, ein A3-Scanner, ein A3-Farbdrucker, sowie die Möglichkeit, gedruckte Karten farbig kopieren zu lassen.
In der heutigen Informationswelt weist der Informationsbereich der „Geodaten“ die mit Abstand höchste Zuwachsrate auf. GIS-Analysen sind in der Wirtschaft und Verwaltung nicht mehr wegzudenken, Verkehrsnavigation und Mobilkartographie boomen. Es ist unabdingbar, dass sich die wissenschaftliche Kartensammlung in Zukunft zu einem umfassenden Info-Center für Geodaten entwickelt. Neben den Karten in gedruckter und digitaler Form sollen vermehrt GIS-Daten angeboten werden, Metadatenkataloge sollen über weltweit vorhandene Geodaten informieren und deren Nutzung zugänglich machen. Ueber ein allerdings ressourcenintensives Recherchierzentrum für externe Kunden, mit Aufbereitung und Zusendung der Karteninformation, wird ebenfalls nachgedacht. Die Kartensammlung in der ETH-Bibliothek soll so auch nach drei Jahrzehnten attraktiv bleiben.
ETH-Bibliothek 1972-2002 - Von Null auf 300'000 (2002).pdf