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  • Die Kartensammlung - Infonetz "Karten und Geodaten" (Jürg Bühler)

    Von der Kartensammlung zum Zentrum für Rauminformation



    Von der Kartensammlung zum Zentrum für Rauminformation (2000)


    Die Kartensammlung im Wandel

     

    Wie in vielen andern Wissensbereichen besteht auch im Bereich der Kartenbibliotheken die Notwendigkeit, neue Fakten der Zeit zu analysieren und gegebenenfalls neue Wege zu beschreiten. Fünf neue Entwicklungen sind in den Neunzigerjahren vorrangig für den notwendigen Aufbruch verantwortlich:

    ·         die Computerkartographie,

    ·         der Zugang zur weltweiten Information im Internet,

    ·         abnehmende Ressourcen bei den Arbeitskräften und den Finanzen,

    ·         die Verschiebung der Ressourcen in den Kundenbereich,

    ·         die zunehmende Bedeutung der Rauminformation für alle Bereiche unseres Lebensraumes

     

    Die Computerkartographie

    Seit Ende der 70er-Jahre bedient sich die Kartographie des Computers mit dem Ziel, die Herstellung von Papierkarten und ihre Nachführung rationeller machen zu können. Unter dem Qualitätsaspekt der Kartographie sind dagegen Karten am Bildschirm als Endprodukt lange Zeit suspekt. Erst in den 90er-Jahren wird die elektronische Karte für den Kunden auch von Kartographen ernst genommen, ausgelöst durch die enorme Entwicklung der Elektronik und die Möglichkeit, geographische und kartographische Daten in Geographischen Informationssystemen (GIS) zu verwalten und daraus gezielt mit den gewünschten Parametern per Computer eine Analyse erstellen oder eine Karte herstellen zu lassen. Für die moderne Kartensammlung entsteht damit die Forderung, den Kunden in Zukunft auch digitale Karten anzubieten.

     

    Informationen im Internet

    Die rasante Zunahme der Informationen im Internet macht auch vor der Kartographie nicht halt. Mit der tech­n­ischen Aufrüstung der Computer und der Netzwerke ist es nun möglich, auch Bilder und Graphiken über das Internet sichtbar zu machen. Welch eine Chance für Kartensammlungen, auf diese Weise Karten zu finden, die im eigenen Bestand nicht vorhanden sind!

    Den Kartenbibliotheken stellt sich damit in Zukunft die Aufgabe, dieses Angebot an Karten im Internet zu eruieren und durch sinnvolle kurze Suchwege für die Kunden zu erschliessen.

     

    Verknappung der Ressourcen

    Gerade die Verknappung der finanziellen Mittel zwingt vermehrt zur Einbindung alternativer Information.  Eine Metadatenbank führt zu Beständen anderer Kartenbibliotheken, digitale Karten im Internet ergänzen die eigenen Bestände (z.B. Stadtpläne), die CD-ROM der topographischen Karten Grossbritanniens erspart den Kauf von hunderten topographischen Kartenblättern. Eine geschickte Kombination der verschiedenen Informationsmedien bringt unter Umständen namhafte Einsparungsmöglichkeiten bei qualitativ und quantitativ gleich bleibender kartographischer Information. Wesentlich schwieriger aufzufangen sind die überall zu beobachtenden Einschränkungen der personellen Ressourcen. Gerade der Einstieg in die völlig neuen Bereiche der digitalen Karten würde zusätzliche Ressourcen erfordern, denn neben der Ausbildung der Kartenbibliothekarinnen und Kartenbibliothekare und dem Aufbau der neuen Serviceangebote, müssen auch die bisherigen konventionellen Arbeiten weitergeführt werden.

     

    Kundennähe

    Die Forderung nach mehr Kundennähe und eine Umverteilung der Personalressourcen in Richtung Kundendienst kommt der geplanten Ausweitung des Serviceangebotes entgegen. Es gilt auszumachen, welche frü­heren bibliothekarischen Arbeiten in der Kartensammlung durch andere Stellen übernommen werden könnten. Die bisherigen Personalressourcen vermehrt im Kundenbereich einzusetzen und dafür die bibliothekarische Erschliessung des Kartenmaterials den zentralen Verarbeitungsstellen der Gesamtbibliothek zu überlassen, dürfte die geeignete Alternative sein.


    Bedeutung der Rauminformation

     

    Raumdaten - Informationen über unsern Lebensraum Erde - sind zu wichtigen Informationsträgern unserer Zeit geworden. Sie werden heute in fast allen Zweigen der Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Verkehr benötigt. In diesem Kontext dürfte sich die Kartensammlung umorientieren zu einem Zentrum für Rauminformation: Weg vom reinen Kartenmaterial, hin zur Vermittlung von umfassenden Raumdaten.

     

    Elektronische Anwendungen in der Kartensammlung

     

    Elektronische Anwendungen in Kartenbibliotheken sind immer noch nicht selbstverständlich. Dabei hat die Informationstechnologie mit elektronischen  Bibliothekskatalogen vielerorts bereits vor mehr als zwei Jahrzehnten Einzug gehalten, mit dem Nachweis des Kartenbestandes in Computerkatalogen und der nachfolgen­den Online-Katalogisierung. Ab 1990 wird die Entwicklung im neuen Bereich der digitalen Karten von den Kartenkuratoren aufmerksam verfolgt und eine Integration von Computerkarten in den Bestand der Kartensammlungen in Erwägung gezogen.

     

    Der Einstieg in den Bereich der digitalen Karten


    Die Zielvorstellung geht von der Erkenntnis aus, dass eine moderne Kartensammlung neben dem gedruckten Kartenmaterial auch digitale Karten anbieten muss, um den Bedarf der Kunden an kartographischer Information genügend abzudecken. Die Aufstockung der Personalressourcen, eine umfassende PC-Aus­bil­dung für das Kartenteam, ein Support von EDV-Spezialisten der Bibliothek, eine bedeutende technische Aufrüstung aller Computer-Arbeitsplätze der Kartensammlung, sowie ein Anschluss an ein Netzwerkes sind die Grundvoraussetzungen für die Realisierung eines solchen Projekts "Digitale Karten in der Kartensammlung".

    In einigen Kartenbibliotheken werden in der 2. Hälfte der 90er-Jahren bedeutende Projekte gestartet, wie etwa die Metadatenbank Geo-Guide in Göttingen, ein grosses Digitalisierungsprojekt von gedruckten Kartenbeständen in Berlin oder eine Digitalisierung und Erschliessung von historischen Karten in Halle. Einen andern Weg beschreitet die ETH-Kartensammlung in Zürich: In verschiedenen kleineren Projekten wird versucht die ganze Bandbreite digitaler Kartenangebote abdecken:

    .       CD-ROM-Produkte mit Karten und Raumdaten verschiedenster Themen,
    ·         diverse geographische Informationssysteme, wie etwa die Digital Chart of the World,
    ·         ein Internet-Portal für Karten und das Kartenwesen,
    ·         die Präsentation einer "Virtual Library" im Internet mittels Digitalisierung von Eigenbeständen,
    ·         elektronische Übersichtsnetze zum Nachweis von Kartenwerksbeständen im Online-Katalog,
    ·         eine Metadatenbank für digitale Geodaten der Schweiz.



    Kartensammlung wohin?

     

    Die wissenschaftliche Kartensammlung in soll Zukunft sowohl gedrucktes wie auch digitales Kartenmaterial anbieten. Nur so ist der Bedarf der Kunden an kartographischer Information genügend abzudecken. Die gedruckten Kartenmaterialien sind nach wie vor ein unersetzlicher Informationspool. Heute wird immer noch rund 80% der kartographischen Information durch konventionelle gedruckte Karten bestritten und dies dürfte sich im kommenden Jahrzehnt nur langsam ändern. Die Umwandlung grosser Bestände in flexible Vektorkarten bleibt wohl grösstenteils Utopie. Digitale Karten sind damit in erster Linie zusätzliche und andersartige Informationen, besonders im Bereich der fehlenden gedruckten Karten, des schnelleren Updates, der 3D- und der GIS-Anwendungen.

    Das Internet spielt dabei eine zentrale Rolle als Fenster zur Öffentlichkeit und als Kontakt zu und von externen Kunden. Öffentliche Information und neue Angebote wecken das Interesse für Kartenbibliotheken. Die Anwendungsmöglichkeiten in einer Kartensammlung sind zahlreich:

    Information über die Kartensammlung und über die Kataloge, Suchinstrumente für Kartendokumente vom Bibliotheks-OPAC über die elektronischen Indexblätter der Kartenwerke bis hin zum Internet-Kartenkatalog, Angebote an eigenen oder externen digitalen Produkten, wie Ortsregister, Literaturlisten, virtuelle Kartenbiblio­theken.

    Kurz- und mittelfristig stehen in der Kartensammlung folgende Entwicklungen in Diskussion:

     

    ·        Produkte digitaler Karten von allgemeinem Interesse  (Weltatlanten, Ortsregister, Landeskarte etc.) wer­den in einem Server abgelegt und können so über die internen Netzwerke der Bibliothek oder des Campus von internen und externen PC-Stationen benutzt werden.

    ·     Die Kartenrecherche mittels einer textfreien räumlichen Suche im "graphischen Kata­logs" (mit der Mög­­lich­keit des Anzeichnens der Region und des Anklickens des Themas) soll die für Karten wenig effiziente Suche nach Namen ablösen.

    ·        Im Katalog soll die Titelaufnahme von Karten mit einer Bildinformation (Ausschnitt der gewünschten Kar­­te) angereichert werden, um die Beschreibung zu verbessern und die Auswahl des gewünschten Do­ku­ments zu erleichtern.

    ·          Der Wunsch der Kunden, Kartenmaterial mitzunehmen, könnte mit dem Einsatz einer Infrastruktur rea­lisiert werden, die es erlaubt, die gewünschten Karten zu scannen und sie farbig auszudrucken oder digital abzuspeichern.

    ·        Noch weiter geht die Idee eines Recherchezentrum für Karten, mit der Dienstleitung, für Kunden auf Anfrage (per Brief, Telefon, E-Mail) Karteninformation zu recherchieren, zu scannen und elektronisch zuzusenden. Allerdings ist eine solche Recherche bedeutend aufwändiger, als die des Schrifttums. Doch eine solche neue Dienstleistung könnte für die Kartensammlungen eine grosse Akzeptanz in der Öffentlichkeit schaffen.


    In einer Langfristplanung ist von folgenden Prämissen auszugehen:

    ·          Die Bibliotheken wandeln sich zu Informationszentren. Dazu gehört auch die Integration der Bildinformation, darunter vor allem der Geodaten unseres Lebensraumes Erde.

    ·      Die GIS- und Raumdaten erhalten zunehmend eine zentrale Bedeutung, mit ähnlich hohem Stellenwert wie die textliche Information.

    In diesem Kontext dürfte sich die wissenschaftliche Kartensammlung umorientieren zu einem Zentrum für Rauminformation: Weg vom reinen Kartenmaterial, hin zur Vermittlung von umfassenden Raumdaten: Lokal benutzbar an Workstations als Geographische Informationssysteme, netzweit genutzt über Internet-An­ge­bote und ergänzt durch einen aktiv ausgebauten Metadaten-Katalog über die externen Angebote an GIS- und Raumdaten.


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