Wie
in vielen andern Wissensbereichen besteht auch im Bereich der
Kartenbibliotheken
die Notwendigkeit, neue Fakten der Zeit zu analysieren und
gegebenenfalls neue
Wege zu beschreiten. Fünf neue Entwicklungen sind in den
Neunzigerjahren
vorrangig für den notwendigen Aufbruch verantwortlich:
·
die
Computerkartographie,
·
der Zugang
zur weltweiten Information im Internet,
·
abnehmende
Ressourcen bei den Arbeitskräften und den
Finanzen,
·
die
Verschiebung der Ressourcen in den Kundenbereich,
·
die
zunehmende Bedeutung der Rauminformation für alle
Bereiche unseres Lebensraumes
Die
Computerkartographie
Seit
Ende der 70er-Jahre bedient sich die Kartographie des Computers mit dem
Ziel,
die Herstellung von Papierkarten und ihre Nachführung rationeller
machen zu können.
Unter dem Qualitätsaspekt der Kartographie sind dagegen Karten am
Bildschirm
als Endprodukt lange Zeit suspekt. Erst in den 90er-Jahren wird die
elektronische
Karte für den Kunden auch von Kartographen ernst genommen, ausgelöst
durch die
enorme Entwicklung der Elektronik und die Möglichkeit, geographische
und
kartographische Daten in Geographischen Informationssystemen (GIS) zu
verwalten
und daraus gezielt mit den gewünschten Parametern per Computer eine
Analyse
erstellen oder eine Karte herstellen zu lassen. Für die moderne
Kartensammlung
entsteht damit die Forderung, den Kunden in Zukunft auch digitale
Karten anzubieten.
Informationen
im Internet
Die
rasante Zunahme der Informationen im Internet macht auch vor der
Kartographie
nicht halt. Mit der technischen Aufrüstung der Computer und der
Netzwerke ist
es nun möglich, auch Bilder und Graphiken über das Internet sichtbar zu
machen.
Welch eine Chance für Kartensammlungen, auf diese Weise Karten zu
finden, die
im eigenen Bestand nicht vorhanden sind!
Den
Kartenbibliotheken stellt sich damit in Zukunft die Aufgabe, dieses
Angebot an
Karten im Internet zu eruieren und durch sinnvolle kurze Suchwege für
die
Kunden zu erschliessen.
Verknappung
der Ressourcen
Gerade
die Verknappung der finanziellen Mittel zwingt vermehrt zur Einbindung
alternativer
Information. Eine Metadatenbank führt zu
Beständen anderer Kartenbibliotheken, digitale Karten im Internet
ergänzen die
eigenen Bestände (z.B. Stadtpläne), die CD-ROM der topographischen
Karten
Grossbritanniens erspart den Kauf von hunderten topographischen
Kartenblättern.
Eine geschickte Kombination der verschiedenen Informationsmedien bringt
unter
Umständen namhafte Einsparungsmöglichkeiten bei qualitativ und
quantitativ gleich
bleibender kartographischer Information. Wesentlich schwieriger
aufzufangen
sind die überall zu beobachtenden Einschränkungen der personellen
Ressourcen.
Gerade der Einstieg in die völlig neuen Bereiche der digitalen Karten
würde
zusätzliche Ressourcen erfordern, denn neben der Ausbildung der
Kartenbibliothekarinnen und Kartenbibliothekare und dem Aufbau der
neuen
Serviceangebote, müssen auch die bisherigen konventionellen Arbeiten
weitergeführt
werden.
Kundennähe
Die
Forderung nach mehr Kundennähe und eine Umverteilung der
Personalressourcen in
Richtung Kundendienst kommt der geplanten Ausweitung des
Serviceangebotes
entgegen. Es gilt auszumachen, welche früheren bibliothekarischen
Arbeiten in
der Kartensammlung durch andere Stellen übernommen werden könnten. Die
bisherigen
Personalressourcen vermehrt im Kundenbereich einzusetzen und dafür die
bibliothekarische Erschliessung des Kartenmaterials den zentralen
Verarbeitungsstellen der Gesamtbibliothek zu überlassen, dürfte die
geeignete
Alternative sein.
Bedeutung
der Rauminformation
Raumdaten
- Informationen über unsern Lebensraum Erde - sind zu wichtigen
Informationsträgern
unserer Zeit geworden. Sie werden heute in fast allen Zweigen der
Wissenschaft,
Wirtschaft, Verwaltung und Verkehr benötigt. In diesem Kontext dürfte
sich die
Kartensammlung umorientieren zu einem Zentrum für Rauminformation: Weg
vom
reinen Kartenmaterial, hin zur Vermittlung von umfassenden Raumdaten.
Elektronische
Anwendungen in Kartenbibliotheken sind immer noch nicht
selbstverständlich.
Dabei hat die Informationstechnologie mit elektronischen
Bibliothekskatalogen vielerorts bereits vor
mehr als zwei Jahrzehnten Einzug gehalten, mit dem Nachweis des
Kartenbestandes
in Computerkatalogen und der nachfolgenden Online-Katalogisierung. Ab
1990
wird die Entwicklung im neuen Bereich der digitalen Karten von den
Kartenkuratoren aufmerksam verfolgt und eine Integration von
Computerkarten in
den Bestand der Kartensammlungen in Erwägung gezogen.
Kartensammlung
wohin?
Die
wissenschaftliche Kartensammlung in soll Zukunft sowohl gedrucktes wie
auch
digitales Kartenmaterial anbieten. Nur so ist der Bedarf der Kunden an
kartographischer Information genügend abzudecken. Die gedruckten
Kartenmaterialien sind nach wie vor ein unersetzlicher
Informationspool. Heute wird immer noch rund 80% der kartographischen
Information durch konventionelle gedruckte Karten bestritten und dies
dürfte
sich im kommenden Jahrzehnt nur langsam ändern. Die Umwandlung grosser
Bestände
in flexible Vektorkarten bleibt wohl grösstenteils Utopie. Digitale
Karten sind damit in erster Linie zusätzliche und
andersartige Informationen, besonders im Bereich der fehlenden
gedruckten
Karten, des schnelleren Updates, der 3D- und der GIS-Anwendungen.
Das
Internet spielt dabei eine zentrale
Rolle als Fenster zur Öffentlichkeit und als Kontakt zu und von
externen
Kunden. Öffentliche Information und neue Angebote wecken das Interesse
für
Kartenbibliotheken. Die Anwendungsmöglichkeiten in einer Kartensammlung
sind
zahlreich:
Information
über die Kartensammlung und über die Kataloge, Suchinstrumente für
Kartendokumente vom Bibliotheks-OPAC über die elektronischen
Indexblätter der
Kartenwerke bis hin zum Internet-Kartenkatalog, Angebote an eigenen
oder
externen digitalen Produkten, wie Ortsregister, Literaturlisten,
virtuelle
Kartenbibliotheken.
Kurz- und
mittelfristig
stehen in der Kartensammlung folgende Entwicklungen in Diskussion:
·
Produkte
digitaler Karten von allgemeinem
Interesse (Weltatlanten, Ortsregister,
Landeskarte etc.) werden in einem Server
abgelegt und können so über die internen Netzwerke der Bibliothek
oder des
Campus von internen und externen PC-Stationen benutzt werden.
·
Die
Kartenrecherche mittels einer textfreien räumlichen Suche
im "graphischen Katalogs"
(mit der Möglichkeit des Anzeichnens der Region und des Anklickens
des
Themas) soll die für Karten wenig effiziente Suche nach Namen ablösen.
·
Im Katalog
soll die Titelaufnahme von Karten mit einer
Bildinformation (Ausschnitt der
gewünschten Karte) angereichert werden, um die Beschreibung zu
verbessern und
die Auswahl des gewünschten Dokuments zu erleichtern.
·
Der Wunsch
der Kunden, Kartenmaterial mitzunehmen, könnte mit dem
Einsatz einer
Infrastruktur realisiert werden, die es erlaubt, die gewünschten
Karten zu
scannen und sie farbig auszudrucken oder digital abzuspeichern.
·
Noch weiter
geht die Idee eines Recherchezentrum für Karten, mit
der Dienstleitung, für Kunden auf
Anfrage (per Brief, Telefon, E-Mail) Karteninformation zu
recherchieren, zu
scannen und elektronisch zuzusenden. Allerdings ist eine solche
Recherche
bedeutend aufwändiger, als die des Schrifttums. Doch eine solche neue
Dienstleistung könnte für die Kartensammlungen eine grosse Akzeptanz in
der
Öffentlichkeit schaffen.
In
einer Langfristplanung ist von folgenden
Prämissen auszugehen:
·
Die
Bibliotheken wandeln sich zu Informationszentren. Dazu
gehört auch die Integration der
Bildinformation, darunter vor allem der Geodaten unseres Lebensraumes
Erde.
·
Die GIS- und
Raumdaten erhalten zunehmend eine
zentrale Bedeutung, mit ähnlich hohem Stellenwert wie die textliche
Information.
In
diesem Kontext dürfte sich die wissenschaftliche Kartensammlung
umorientieren
zu einem Zentrum für Rauminformation:
Weg vom reinen Kartenmaterial, hin zur Vermittlung von umfassenden
Raumdaten:
Lokal benutzbar an Workstations als Geographische Informationssysteme,
netzweit
genutzt über Internet-Angebote und ergänzt durch einen aktiv
ausgebauten
Metadaten-Katalog über die externen Angebote an GIS- und Raumdaten.